Der Festivalsommer neigt sich dem Ende zu, Norddeutschlands Wetter zeigt sich wieder von seiner wechselhaft-windigen Seite und im beschaulichen Sulingen begegnet man vermehrt schwarz gekleideten Gestalten: Es ist wieder Zeit, das Schlachtfeld zu eröffnen.
Dieses Jahr zum ersten Mal ausverkauft, durfte das Reload Festival stolze 12.000 Gäste begrüßen, für die sogar spontan ein dritter Campground eröffnet wurde. Die Vorzüge dieses überschaubaren Festivals scheinen ihre Runde zu machen: Wir verabschieden uns nämlich von mit Bierpaletten vollgepackten Bollerwagenkonstrukten und der meilenweiten Ausrüstungsschlepperei – das Reload macht es besser! Bereits am Donnerstag füllten sich die Campingplätze mit freudigen Metalheads, die ihren Zeltplatz komfortabel neben dem Auto aufschlagen konnten. In nur ein paar Minuten Fußmarsch hatte man bereits den Vorplatz zum Infield erreicht, auf dem der majestätische Reload-Löwe Leo’nidas die Besucher empfing.
Im Rahmen der Warm-Up Party heizten u.a. A Traitor Like Judas, Annisokay und Counterparts den Frühstartern am Donnerstag schon richtig ein. Das kleine Zelt vor dem Festivalgelände war gefüllt mit glücklich schwitzenden Menschen, die mit energiegeladenen Moshpits die bombastische Stimmung aufrecht erhielten. Auch vor dem Zelt ging es bereits heiter zu, wozu auch ein liebevoll dekoriertes Wikingerschiff, bei dem man sich mit Metbier versorgen konnte, seinen Anteil beitrug.
Auf dem Infield, welches Freitag um 11 Uhr seine Tore öffnete, gab es zur Freude aller Merchandise-Begeisterten viele Stände zu entdecken. Nicht nur die offiziellen Festival-Linie gab es zu erwerben (u.a. eine exklusive Einhorn-Edition), auch die gemeinnützigen Helfer der Hardcore Help Foundation waren am Start, die gespendete Bandshirts für gute Zwecke unter den Mann brachten. Am Glücksrad der Wacken Foundation konnte man CDs gewinnen und dabei Künstler der Rock- und Metalszene unterstützen, und am Stand der skate aid e.V. wurde ein Meet and Greet mit den Jungs der Bremer Metalcore-Truppe Watchout Stampede verlost.
Von Punk Rock über Metal bis hin zu Hardcore war im Freitags Line-Up alles dabei, was das E-Gitarren-Herz begehrt: Metal-Legenden wie Prong und Sepultura zeigten sich von ihrer besten Seite, und das Publikum ließ sich trotz der extrem staubigen Moshpits die immerzu steigende Laune nicht verderben. Als Beartooth das Gelände mit kräftigem Hardcore Punk zum Beben brachte, hatten die Kollegen von O.K.S Security reichlich zu tun. Der erste Wellenbrecher war zum Bersten voll, ein Crowdsurfer nach dem anderen schwebte über einen hinweg und die Circle Pits waren rasanter denn je. Nachdem Eskimo Callboy mit tanzwütigem Electrocore und einem kollektiven Jump à la Dreck-Holi-Festival (richtig, mit Staub anstatt Farbe) die Menge ordentlich aufmischte, überzeugte Flogging Molly mit einer dynamisch freudigen Performance des feinsten irischen Folk-Rocks. Schließlich stürmten kurz vor Mitternacht Headliner Papa Roach die Bühne und zeigten mal wieder, dass sie deutlich mehr als ihren Radio-Hit Last Resort in petto haben. In Gedenken an Chester Bennington performte die Band sogar ein emotionales und starkes Cover des Linkin Park Klassikers In The End. „Don’t take a permanent solution for a temporary problem.”, so Frontmann Jacoby, worauf das Reload in tiefsten Mitgefühl und Respekt in Applaus ausbrach. Mit einem unglaublich energiegeladenen Auftritt und einer atemberaubenden Lichtshow bildeten Papa Roach vollkommen zurecht den lautstarken Höhepunkt des ersten Reload-Tages.
Extrem-Frühaufsteher durften sich am Samstagmorgen auf Mr. Hurley und die Pulveraffen freuen, die bereits um 10 Uhr früh parallel zum Frühstücksbuffet in der Tentstage die Musik zum Frühschoppen lieferten. Zu der Zeit schlief noch der ein oder andere seinen Rausch aus, und zu aller Überraschen sprach sich schnell herum, dass die Wartezeit für die Frauendusche erstaunlich kurz war. Sanitäranlagentechnisch durfte sich lediglich der Campground 1 über eine eigene Dusch- und Toilettenanlage freuen, die anderen Zeltplätze mussten zum Vorplatz des Geländes und dort in der sogenannten “Shit City” ihren Geschäften nachgehen. Trotz anfänglicher Skepsis gegenüber dem Konzept entpuppte sich die All-Inclusive-Flatrate für 5€ als ein wahres Hygiene-Schnäppchen. Zumindest für die Männer hätten es jedoch definitiv ein oder zwei Duschkabinen mehr sein können.
Das Samstags Line-Up war ein Stilmix, der sich lohnte: The Night Flight Orchestra überraschten mit einer Mischung aus Disko und Powermetal, farbenfrohen Outfits und zwei Powerfrauen als Vocal-Ergänzungen. Deez Nuts und Madball sorgten bei den Hardcore-Freunden für Aufregung und Dragonforce begeisterten mit epischen Gitarrenkünsten und den nostalgischen Erinnerungen, die sie durch Through The Fire And Flames bei den Besuchern auslösten. Sick Of It All wiederum entflammten erneut die Moshpit-Freude der Metaller. So wechselhaft wie das Line-Up war auch das Wetter, denn von staubiger Trockenheit über Regenschauern und Sonne bis hin zum Regenbogen gab es alles, was auch nur wettertechnisch denkbar war. Trotz allem war bei Kreator das Staunen groß, als sie alle Geschütze der Konzerttechnik auffuhren, um den Rockern ordentlich Laune zu machen: Etliche Bildschirme, Konfetti und Luftschlangen und nicht zu vergessen die Flammeneffekte, die vor allem bei Satan Is Real gut ankamen. Der finale Headliner jedoch wusste dies noch zu toppen – die Jungs von In Flames hatten sogar Bildschirmtürme auf der Bühne aufgebaut, die der futuristisch kontrastreichen Videoshow eindrucksvoll Tiefe verliehen. Trotz der klirrenden Kälte zur späten Stunde fanden sich genügend tapfere Musikbegeisterte auf dem Infield ein, um die mächtige Performance der Melodic Death Metal Ikonen zu erleben.
Vollkommen berechtigt kann man also sagen, dass das Reload Festival 2018 ein voller Erfolg war. Die Veranstalter sind ebenfalls zufrieden, und obwohl das Festival in Zukunft organisch wachsen möchte und auch muss, wollen sie die kurzen Fußwege und das familiäre Gefühl dieses einzigartigen Events beibehalten. Welche Acts auch immer das nächste Line-Up zieren werden, man kann getrost behaupten, dass das Reload 2019 mindestens genauso begeistern wird wie dieses Jahr. See you on the battlefield!
Bericht: Phuong Ly Dao
Fotos: KTD Photography
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