Donnerstag Abend, knapp sieben Uhr. Die Essigfabrik war angenehm gefüllt. Entspanntes Warten, während an der Abendkasse noch die letzten Tickets an den Mann gebracht wurden. Und plötzlich, eine halbe Stunde vor planmäßigem Beginn, flackerte das Licht – und Blood Youth, ein Metalcore Quartett aus der UK, eroberte die Bühne. Mit lautstarken Songs aus ihrem neuesten Album riefen sie zum pogen auf. Anschließend überraschten As It Is mit einer energiegeladenen Performance das Publikum, unter denen einige Fans mitsamt Flaggen und Bandshirts ihre Begeisterung in aufgeregten Schreien kundgaben. Frontsänger Patty Walters sprang und sang sich die Seele aus dem Leib, die Menge tobte, der Circle Pit lebte. Nach ihrem größten Hit „Dial Tones“ räumten die Jungs aus Brighton die Bühne für die in der Pop Punk Szene nur allzu bekannten Real Friends, die die Konzertbesucher ein weiteres Mal aufmischten.
Die The Peace and the Panic Tour steht nicht nur wegen des gleichnamigen Albums unter diesem Motto, auch kämpfen Neck Deep gemeinsam mit allen Supportern für das offene Gespräch über Suizidgedanken und Depressionen. Nachdem die Vorbands das Publikum erfolgreich angeheizt hatten, erschien ein Vertreter von „Hope For The Day“, einer Suizid-Präventions Organisation, die ebenfalls die Tour begleitet. Er sprach genau die Probleme an, mit denen der/die eine oder andere in der Szene zu auch kämpfen hat – und erntete positiven, warmen Applaus. Ein Zeichen gegen die Tabuisierung mentaler Krankheiten und für proaktive Prävention und Nächstenliebe. „Because it is okay not to be okay.“
Trotz des ernsten Themas war die Stimmung alles andere als gedrückt: gegenseitige Empathie war zu spüren, und es erschallten die Rufe der durch Musik verbundene Fan-Familie. „Neck Deep, Neck Deep, Neck Deep!“ – uuuund Trommelwirbel bitte! Mit „Happy Judgement Day“ sorgten die Jungs gleich zu Beginn für einen bombastischen Start. Es folgte ein energiegeladener Mix aus Old-Time Favorites wie „Kali Ma“ und „Rock Bottom“ sowie aktuelleren Pop Punk- Schätzen, u.a. „Motion Sickness“ und „Parachute“. Die Punk Rocker aus Wales sind für ihre stimmungsgeladenen Shows bekannt, und auch diese Nacht stand die Essigfabrik unter Strom: Euphorie im Publikum, Freudentränen und ein lebhafter Moshpit zu den rhythmischen Riffs von „Citizens of Earth“.
Als der Applaus abklang, wurde es still – Leadsänger Ben Barlow atmete tief ein und erzählte davon, wie alle Bandmitglieder im vergangenen Jahr mit dem Verlust von geliebten Menschen zu kämpfen hatten. „Music is our therapy“, erläuterte er und stimmte die Ballade „Wish you were here“ an. Ein Meer aus Lichtern erfüllt die Halle.
Mit ihrer Setlist hatten Neck Deep auch noch einige Überraschungen parat: So lockerten die Jungs den emotionalen Teil der Show mit einer rockigen Version von „December“, einer ihrer Acoustic-Klassiker. Unerwartet verschwand im Anschluss der Rest der Band, auf der Bühne blieben der Sänger mit seiner Acoustic Gitarre. Auf einen Songwunsch hin lässt er die Hardcore-Fanherzen höher schlagen und performte, begleitet durch den Gesang des Publikums, „Head to the ground“.
Schließlich bedankte sich die Band bei ihrem treuen Publikum für ihre bisher größte Headliner-Show in Deutschland, und auch die fürsorgliche Security erhielt in Hinblick auf die Eskapaden des Gigs in Nottingham großen Applaus. Die musikalische Achterbahn der Gefühle nahm mit „Where do we go when we go“ seinen krönenden Abschluss – ein letztes Mal so laut mitsingen und so hoch mitspringen wie man nur konnte. Im Großen und Ganzen ein rundum gelungenes Konzert – und die schweißgebadeten Fans verließen zufrieden und ausgepowert die Halle.
Bericht: Phuong Ly Dao