Wer sich mit den großen Festivals in Deutschland auskennt, kennt sicher auch den kleinen Ort Scheeßel, denn hier ist das Hurricane Festival zuhause. Doch in Scheeßel gibt es neben dem Hurricane noch das Heimat Festival.
Pünktlich nach Zeitplan ging es los mit Expand. Expand kommen aus Hamburg und sorgten mit ihrem Post Stoner Rock für einen guten Start ins Festival. Rock, die Musikrichtung, die sich durch’s ganze Festival ziehen wird, scheint in Scheeßel gut zu ziehen. Denn auf dem anfangs noch nicht ganz so gut besuchten Platz, machte sich trotz des Windes schon Stimmung breit. Als erste Band mittags auf einem Festival hat man es oft nicht leicht, doch das Publikum machte es Expand mehr als leicht, sie mitzureißen. Vielleicht lag’s aber auch daran, dass Expand ein paar Fans mithatte, die extra für sie angereist sind.
Weiter im Programm ging’s dann mit Boranbay aus Bremen, die es ebenso wie Expand nicht wirklich weit nach Scheeßel haben. Wie eben schon gesagt, wird sich das Genre Rock noch über den ganzen Abend ziehen, denn auch bei Boranbay ging es weiter mit Alternative Rock. Die vier Jungs aus Bremen heizen ebenfalls ordentlich ein, auch wenn der Platz immernoch nicht annähernd voll scheint. Aber das lässt die Jungs von Boranbay natürlich kalt. Die Performance ist energiegeladen und professionell. Tatsächlich auch eine Neuentdeckung und absolute Empfehlung für jeden, der auf Alternative Rock steht.
Boranbay räumen die Bühne für Bukow. Bukow kommen ebenfalls aus dem Norden, wie so viele an diesem Abend. Gerade frisch von ihrem Releasekonzert der neuen Platte “Lichterloh” aus Osterholz-Scharmbeck, direkt auf die Bühne des Heimat Festivals gesprungen. Mit ihren deutschen Texten, hinter denen ziemlich viel steckt, sorgen auch diese vier Jungs für ordentliche Stimmung auf dem sich mittlerweile immer mehr füllenden Heimat Festival Gelände. Natürlich wird auf das gerade erschienene Album aufmerksam gemacht, aber wer kann sowas einer Band übel nehmen, die offensichtlich wissen was sie wollen und ebenso wissen was und wie sie etwas machen – denn auf der Bühne Vollgas geben, liegt ihnen sehr. Ebenfalls eine Empfehlung seit dem Heimat Festival.
Aber auch der Auftritt nimmt ein Ende und die Bühne wird für FIBEL geräumt. Die vier Jungs kommen aus Mannheim und hatten im Gegensatz zu den vorherigen Bands bisher die weiteste Anreise. Aber ganz ehrlich, dass die vier sich wohl stundenlang auf der Autobahn gelangweilt haben, merkt man keinem von ihnen an. Denn auch hier gilt, trotz des noch relativ kleinen Bekanntheitsgrades, geben die Jungs von FIBEL Vollgas auf der Bühne. Natürlich im Sinne des Publikums, denn auch hier wurden die Hüften geschwungen. Wer Drangsal hört oder generell auf Post-Wave und Post-Punk steht, ist bei FIBEL genau an der richtigen Adresse.
Weiter geht’s mit Matula aus Hamburg/Kiel, die, wie sollte es auch anders sein, Indie-Punk machen. In 15 Jahren Bandgeschichte haben Matula wohl schon einige Fans erhascht und das hat sich auf dem Heimat Festival bemerkbar gemacht. Fans im Publikum, die alle ziemlich textsicher waren und sich nicht nehmen lassen, ihrer Energie genauso freien Lauf zu lassen, wie die Jungs auf der Bühne. Die ersten kleinen Moshpit’s bilden sich und die Stimmung fängt langsam richtig an zu kochen. Ein gutes Zeichen für Matula und natürlich auch für alle Bands, die sich noch die Ehre auf der Bühne geben werden. Auch Matula haben 2018 erst ein neues Album rausgebracht, was aber wohl anhand der Textsicherheit im Publikum vielen keine Neuigkeit zu sein scheint.
Von Matula zu Tequila & The Sunrise Gang. Tequila & The Sunrise Gang kommen aus Kiel und wie es sich gehört, wenn man nah am Wasser wohnt, werden die Songs nun ziemlich sommerlich. Die sage und schreibe acht Kieler machen eine spannende Mischung aus Ska, Reggae, Punk und Rock – also quasi einmal was für alle, die es laut und mit Stimmung mögen. Spätestens jetzt kommt bei allen Besuchern des Festivals die Energie zum Vorschein. Denn erstmals an diesen Tag verwandelt sich das Gelände in einen sich durchgehend bewegenden Ort. Aber nicht nur das macht TATSG, wie sie sich selbst gerne abkürzen, zu etwas besonderem. Neben den Trompete, Saxophone, Posaune und Orgel auf der Bühne, hat Sänger René in den letzten Tagen sein Können als Handwerker unter Beweis gestellt und ein Glücksrad gebaut, an dem jeder gegen eine kleine Spende an “Kein Bock auf Nazis” Nieten, Freibier oder den Hauptgewinn drehen kann. Der Andrang auf das Glücksrad gingsziemlich lang, aber wer sagt schon nein zu Freibier?
Kurze Umbaupause und Bühne frei für The Real McKenzies aus Vancouver, Britisch Columbia kommen. Auch hier wurde es nochmal stimmungsvoll. Wobei “The original Celtic punk band”, wie sie sich selbst nennen, wohl nicht für jeden Geschmack gemacht sind. Mit Dudelsack und Schottenrock, wie es sich gehört, brachten aber auch The Real McKenzies ordentlich Stimmung auf den Platz, der mittlerweile voll zu sein scheint. Nach der guten Vorarbeit von Tequila & The Sunrise Gang bricht auch hier die Stimmung kaum ab. Die Menge tobt weiter und natürlich stellt sich der Ein oder Andere die Frage, ob man unter einem Schottenrock wirklich nichts drunter trägt – Nein, trägt man nicht, das wurde allen an diesem Samstagabend gezeigt. Mit einem abschließenden Acapella Song von Sänger Paul McKenzie abgeschlossen.
Wieder eine kurze Umbaupause. Die Bühne wird dunkel für Blackout Problems und leise beginnt der Einspann der Münchner Jungs. Energiegeladen wie immer starten Blackout Problems ihr Set. Dass bei Blackout Problems niemand an seinem Platz stehen bleibt, wo das für ihn vorgesehene Mikro steht, ist jedem klar, der schon mal eine Blackout Problems Show besucht hat, denn als Fotograf einen der vier scharf zu erwischen ist eine Meisterleistung. Still geht nicht – das scheint das Motto der Jungs zu sein, die sich mit ihrem letzten Album “KAOS” etwas von Alternative Rock entfernen, indem sie ein paar Elektroelemente mit einbauen. Trotzdem sprudelt die Energie direkt ins Publikum über. Wie bei TATSG schon, bleibt wohl niemand im Publikum ruhig. Es gibt Stagedives und Leute, die auf Schultern von anderen abgehen, als hätten sie Boden unter den Füßen. Viel Strobo, viele Fans und noch mehr Energie, das beschreibt den Auftritt der Wahlmünchner ziemlich gut.
Angekommen beim Headliner LIEDFETT aus Hamburg machen Akustik Punk. Was man hier zu erwarten hat, nachdem die letzten vier Bands die Latte ziemlich hoch geschossen haben, ist wohl klar – noch mehr Energie, noch mehr Stimmung. Aber das ist für LIEDFETT kein Problem. Liedfett, die auch ziemlich viele Fans dabei hatten, haben dementsprechend kein Problem damit, die Menge einzuheizen. Auch hier gab es wieder Pits, in denen sich Leute gegenseitig immer weiter anstachelten, um noch mehr Energie und Bewegung ins Publikum zu bringen.
Wenn ein Fazit zum Heimat Festival gezogen werden muss, bleibt eigentlich nur eins zu sagen: Scheeßel weiß, wie man Festivals macht und welche Bands für Stimmung sorgen. Davon können sich viele andere Festivals eine große Scheibe abschneiden.
Bericht/Fotos: Verena Schäfer
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