Ein einziger Ansatz genügt nicht, um sich als Musiker über Jahrzehnte hinweg Leidenschaft und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Konzentration verändert sich im Laufe der Jahre. Der kraftmäßige Einsatz, wie er beispielsweise am Schlagzeug verlangt wird, fällt schwerer, ebenso das Atmen. Durch den Alterungsprozess leiden zudem die Gelenke. Was einst ein müheloses Fingerspiel an der Gitarre war, wird zunehmend beschwerlicher. Drei Ebenen also tun sich auf, wenn Berufsmusiker und Hobby-Freaks bis zum Rentenalter und darüber hinaus alle unerlässlichen Voraussetzungen in Sachen Musik erfüllen möchten.
Jung mit Musik – Fakt oder Fake?
Gesundheit ist für Musiker so wichtig, dass es sogar einen eigenen Lehrstuhl für Musikermedizin gibt. Der Leiter des Instituts für Musikermedizin in Hannover, Professor Altenmüller, ist richtungweisend in Sachen Musikphysiologie und Musikermedizin. Geforscht wird in Hannover unter anderem über die Themen Wahrnehmung der Musik, Bewegungen beim Musizieren und einschlägige Musikerkrankheiten.
Ein Nebeneffekt, den die Wissenschaftler um Professor Altenmüller in Zusammenhang mit ihrer Arbeit feststellten, ist, dass Musizieren tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Gehirn hat. Untersucht wurden die Gehirne von Amateurmusikern. Sie zeigten sich im Schnitt um rund fünf Jahre jünger als bei den Probanden in einer Vergleichsgruppe, die nicht musizierte. Als Ursache wurde erkannt, dass Musik einen starken Anreiz auf die Hirnvernetzung bietet, da komplexe Vorgänge abverlangt werden.
Der Bonuseffekt allein genügt aber auf Dauer kaum. Wer als Musiker etwas für seine geistige Fitness tun möchte, sollte sich auch nach Alternativen umsehen. Erfreulich ist, dass jede kreative Tätigkeit einen ähnlichen Effekt auf die Gehirnleistung hat. Malen, Töpfern oder Schreiben können einen wunderbaren Ausgleich zur eigenen Musik darstellen. Bei künstlerischen Hobbys wie Fotografieren oder Tanzen kommt noch der Fitnessfaktor durch Bewegung dazu, der ein weiterer Baustein der Musikergesundheit ist.
Sport und Musik – ein gesunder Körper
Einen direkten Vergleich zwischen Hochleistungssportlern und Berufsmusikern sehen sowohl Sport- als auch Musikermediziner. Die Wissenschaftler und Fachdozenten sind sich einig, dass sich Trainings- und Übungseinheiten, Wettkämpfe und Auftritte, aber auch die einschlägigen Erkrankungen und Belastungen ähneln. Wirkt sich bei Sportlern mitunter der fehlende musische Ausgleich negativ aus, ist es beim Musiker die körperliche Bewegung, die zu sehr vernachlässigt wird und zu gesundheitlichen Defiziten führt.
Allgemeiner Sport wie Joggen und Schwimmen wird idealerweise mit gezielter Körperarbeit kombiniert, um Haltungsschäden oder Schäden am Bewegungsapparat entgegenzuwirken. Die entstehen ohne physiologische Korrektur leider im Laufe der Jahre bei vielen Musikern. Typisch sind Probleme mit der Nackenmuskulatur, mit Schultern und Rücken, aber auch mit den Handgelenken und den Fingern. Physiotherapeuten und Fitnesstrainer mit fundiertem Wissen leisten hier Hilfestellung. Sie wissen, wie die Muskulatur gedehnt und gestärkt werden kann, welche Partien zum Ausgleich besonders trainiert werden müssen. Krafttraining und Ausdauerübungen sind gleichermaßen hilfreich, wenn die Mischung stimmt.
Wer sein Blasinstrument lange Zeit spielen will, muss sich rechtzeitig um das Lungenvolumen Gedanken machen. Es nur während der Übungssession, beim Gig und im Konzert zu trainieren, kann zu wenig sein. Zudem kommt eine im gewissen Rahmen gezwungene Körperhaltung durch das Instrument dazu. Erhobene Arme etwa machen das Atmen nicht unbedingt leichter. Trainiert werden kann die Lunge beim Schwimmen, langsam und mit tiefen Atemzügen. Waldläufe sind ideal und Übungen, die den Brustkorb weiten. Hilfreich ist es auch hier, die Rücken- und Rumpfmuskulatur zu stärken, damit eintönige Körperpositionen leichter und länger eingenommen werden können.
Training – Entspannung und Konzentration
Entspannen und anspannen: Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Wer trotz langer Jahre als Musiker vor jedem Auftritt an Lampenfieber leidet, muss spätestens danach den Stress wieder abbauen, damit ein unguter Kreislauf unterbrochen wird. Wer unter Stress leidet, verspannt zudem auch – mitunter unbewusst – seinen Körper. Da die Muskeln im fortgeschrittenen Lebensalter schwinden, weniger flexibel werden und langsamer regenerieren, tritt eine Doppelbelastung ein.
Verschiedene Entspannungstechniken helfen Musikern, den Ausgleich für das und nach dem Konzert wiederzufinden. Eine in vielen Lebenslagen bewährte Technik ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Sie ist immer und überall anwendbar und nimmt nur kurze Zeit in Anspruch. Eine Muskelpartie nach der anderen, vom Gesicht bis zur Zehenspitze, wird ganz gezielt unter Spannung gebracht und wieder gelockert. Sitzen die Übungen, spürt man zudem besser, wo ihr Einsatz aktuell notwendig ist.
Etwas mehr Aufwand verlangt die Feldenkrais-Methode ab. Sie bringt beide Körperseiten in Einklang, hilft muskuläre Ungleichheiten zu beseitigen und fördert die Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber. Als Übungsgeräte dient beispielsweise ein Türrahmen, ein Stuhl oder der Fußboden. Wie wichtig diese Trainingsmethoden sind, hat auch die AOK erkannt. Sie stellte bereits vor Jahren ein Förderprojekt für Musiker auf die Beine. Dieses Präventionsprogramm dient nicht nur jungen Talenten, auch und gerade ältere Musiker profitieren von Methoden wie Feldenkrais und Jacobsen.
Konzentration – im Fokus der Musik
Was leicht von den Fingern oder den Lippen gehen soll, braucht mehr als nur Übung. Den Zuhörern mag es mühelos erscheinen, dem Musiker verlangt es volle Konzentration ab. Diese über Stunden auf einem hohen Level zu halten, gelingt nur, wenn man sie gleichzeitig außerhalb des musikalischen Bereiches trainiert. Zur Konzentration gehört auch die Fokussierung: Was will ich erreichen, wie komme ich dorthin?
Hier ist ebenfalls der Vergleich mit Sportlern hilfreich: Skirennläufer visualisieren vor dem Start die Strecke, sie fahren jede Stange, jede Kurve in Gedanken ab. Dem Musiker kann es helfen, sich die schwierigsten Passagen vor dem inneren Auge vorzustellen. Alles, was stören könnte, wird dabei ausgeblendet. Gleichzeitig dienen solche Übungen der Vertiefung in die Musik. Statt sich erst im Konzert mit seinem Instrument zu beschäftigen, beginnt die Verschmelzung schon vorher. Das Ergebnis ist ein Auftritt, bei dem vorm ersten Moment an 100 Prozent abgeliefert werden.
Ausreichend Schlaf ist die Mutter der Konzentration. In zunehmendem Alter macht sich Schlafmangel deutlicher bemerkbar als in jungen Jahren. Wer noch oder schon wieder müde ist, gleitet zudem leicht in den Zustand der Gleichgültigkeit ab. Die Leidenschaft für die Musik bleibt auf der Strecke. Der Zuhörer bemerkt das und verzichtet auf stürmischen Applaus. Fehlt der, fehlt dem Musiker etwas, nämlich der Ansporn für das nächste Stück. Sicher reagiert nicht jeder gleich, aber ein träges Publikum wiederum bringt sicher keinen Musiker zur Höchstleistung.
Fit durch Ernährung – Prävention auf vielen Ebenen
Um alle Körperfunktionen reibungslos aufrechtzuerhalten, muss die Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen, von Fetten, Eiweiß und Kohlenhydraten stimmen. Nervenfutter ist dabei für Musiker unerlässlich. Hochwertige Pflanzenöle, Nüsse und Haferflocken, Bananen und Avocados sind bewährte Lieferanten von B-Vitaminen, Vitamin E und Magnesium. Gegen den natürlichen Alterungsprozess der Gelenke, der oft mit einer Arthrose einhergeht, lässt sich ebenfalls mit ausgewogener Ernährung ankämpfen. Viel Gemüse, wenig rotes Fleisch und Alkohol nur in Maßen bestimmen den Speisezettel. Auch einige Gewürze gelten als anti-entzündlich, wie etwa Kurkuma, Chili oder Kreuzkümmel. Wer sie verwendet und gleichzeitig den Salzkonsum reduziert, tut seiner Gesundheit zweifach Gutes.
Genauso kann Musikern das Leben mit oft akut auftretenden Schmerzen verbittern, denn sie breitet sich primär in den Hand- und Fußgelenken aus. Rotes, fettreiches Fleisch und Alkohol vom Speiseplan weitgehend zu verbannen, ist eine empfohlene Vorsorgemaßnahme. Weißmehl wird durch Vollkorngetreide ersetzt. Wiederholen sich Gichtanfälle, kann eine individuelle Ernährungsberatung die vom Arzt verschriebene Medikation ergänzen.
Übergewicht ist ein weiteres gesundheitliches Risiko. Spätestens ab einer ausgeprägten Adipositas sind andere Organe gefährdet. Das Atmen fällt schwerer, Bewegungen werden mühsamer. Die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, der psychische Stress beim Auftritt verstärkt womöglich das gesundheitliche Risiko.
Auch hier schließen sich wiederum Kreise: Wer sich regelmäßig bewegt, hält eher sein Normal- oder Idealgewicht. Ausgewogenes Essen leistet seinen Anteil im Kampf gegen Pfunde. Sich fit und für sein Lebensalter jung zu fühlen, erhält auch die Leidenschaft für die Musik lebendig und mit ihr den Wunsch, das geliebte Instrument möglichst lange erfolgreich zu spielen.
Musikgenuss – die Leidenschaft erhalten
Es kommt aber nicht nur darauf an, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, um lange Zeit musikalisch aktiv zu bleiben, sondern auch die Leidenschaft. Denn wenn der Spaß und die Motivation fehlen, nutzt die beste körperliche Verfassung nichts.
Hilfreich ist es daher zum einen, regelmäßig Musik zu machen, und zum anderen, sich Musik anzuhören. Beides trägt dazu bei, den Spaß daran nicht zu verlieren, beziehungsweise kann dabei helfen, die Leidenschaft erneut zu entfachen. Denn wer als Musiker andere oder gar die Lieblingsgruppe spielen hört, sei es über CD im heimischen Wohnzimmer oder als Konzerterlebnis, den packt schnell die Lust daran, selbst zu spielen.
Auf einem Konzert trifft man zudem auf Gleichgesinnte, was zum einen ein großartiges Gemeinschaftsgefühl entstehen lässt und zum anderen ideal ist, um sich von der Liebe anderer zur Musik anstecken zu lassen. Ein Konzert zu besuchen, stellt mit der richtigen Herangehensweise selbst im fortgeschrittenen Alter kein Problem dar. Beispielsweise gibt es Konzertsäle, die mit Sitzplätzen ausgestattet sind oder sogar einen abgetrennten Bereich für Menschen mit eingeschränkter Mobilität haben. Sich einen solchen Platz vorab zu reservieren, verhindert einen großen Stressfaktor, nämlich die Suche nach einem geeigneten Sitzplatz. So müssen sich ältere Menschen keine Sorgen darum machen, das während des Konzerts Schmerzen in den Gelenken oder im Rücken das Erlebnis trüben.
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